„Sein Name ist Sean Alec Turner. Er ist neunzehn Jahre alt und kommt aus Cheyenne, Wyoming. Sein Vater ist ein Schläger, der zur Zeit keinen festen Wohnsitz hat. Seine Mutter lebt in einer kleinen Wohnung und arbeitet als Sekretärin. Ab und zu trifft er sich mit ihr. Er ist Single und arbeitet in einem Fitnessstudio als Personaltrainer."

„Blutgruppe?"

„AB positiv!"

Ein Schmunzeln trat auf seine Lippen. AB positiv - sehr schmackhaft.

„Sein Freundeskreis, Montague?"

„Sean hat wenig Freunde, die meisten kennt er aus dem Fitnessstudio. Ab und zu trifft er sich mit seinen Kollegen auf ein Bier, aber das war es dann auch schon. Die meiste Zeit verbringt er auf seiner Arbeit."

„Wann könnte er hier sein?"

„Wenn der Verkehr es zulässt in sechzehn Stunden und dreiundfünfzig Minuten. Doch bei dem heutigem Verkehr in siebzehn Stunden und dreiundzwanzig Minuten."

„Gut. Ich will, dass sie nach Cheyenne fliegen und Turner innerhalb von siebzehn Stunden hierher bringen. Sorg dafür, dass sein Verschwinden erst in ein paar Tagen bemerkt wird, Montague!"

„Alles klar!"

 

„Cat!“ Patrick begrüßte sie mit einem breiten Grinsen, sodass seine strahlend weißen Zähne zum Vorschein kamen. Patrick war wie immer bester Laune.

Patrick war knapp zwei Meter groß, hatte breite Schultern und trug, wie an jedem anderen Abend auch, ein weißes, eng anliegendes Shirt und darüber eine schwarze Lederjacke, die offen war und seine stark ausgeprägten Muskeln betonte. Dazu hatte er eine schwarze Jeans gewählt, die locker auf seinen, nicht ganz so breiten, Hüften saß. Schwarze Sneakers durften da natürlich nicht fehlen. Seine rabenschwarzen Haare waren lässig nach oben gegelt wurden. Seine Hände lagen, die Finger ineinander verschränkt, vor seinem Bauch, doch als er Cat sah, breitete er sie aus und schloss sie in seine Arme. Grinsend schlang Cat die Arme um ihn, fühlte seine Muskeln und schmiegte sich an ihn. Danach hielt er sie eine Armlänge auf Abstand und musterte sie von oben bis unten.

„Mensch, Cat… Du siehst rattenscharf aus!“ Anerkennend schnalzte er mit der Zunge, grinste dann jedoch. Cat drehte sich kurz im Kreis, sodass der Saum, ihres knöchellangen Kleides, abhob und sich ebenfalls drehte.

„Danke Patrick. Aber du siehst auch nicht schlecht aus.“ Sie gab ihm einen federleichten Kuss auf die Wange, ehe sie breit grinsend auf den Eingang des Clubs zuschritt, vor dem Patrick den einsamen Türsteher mimte. Cats schwarze, mit Glitzer bedeckte, High Heels klapperten dabei auf dem grauen, tristen Steinboden. Am Eingang drehte sie sich allerdings noch einmal um.

„Wenn Luke dich abgelöst hat, spendiere ich dir einen Drink!“ Zwinkernd betrat Cat den Club und ließ Patrick zurück, der amüsiert den Kopf schüttelte.

Als Cat den Club betrat, kam sie zunächst in einen kleinen Flur, in dem man zwei Türen vorfand. Die erste Tür lag links und war mit ‘Personal‘ beschriftet. Cat wusste ganz genau was hinter dieser Tür lag und leckte sich genüsslich über die Lippen. Die andere Tür war mit ‘Moonlight‘ beschriftet und stand ein wenig offen, sodass man die laute Musik und deren Bass hören, und auch an den Wänden spüren konnte. Mit einer kleinen Bewegung strich sie sich eine ihrer blond gelockten Haarsträhnen zurück, setzte ein Lächeln auf und ging auf die Tür zu.

Leichter, feiner Nebel kam ihr entgegen, als sie die Tür ganz öffnete und rein ging. Neben der Tür standen einige Gäste und sahen sie neugierig an. Ohne die Blicke zu erwidern, ging die Blondine mit erhobenem Kinn direkt zur Bar, die sich gegenüber der Tür befand. Der Boden bestand aus schwarzem Holz, sowie die Bar. Davor waren zwölf Barhocker positioniert, deren Beine aus glänzendem Silber bestanden und die Sitzflächen aus schwarzem Leder. Das Moonlight war ein sehr edler Club, in dem die Möbel aus den feinsten Möbeln bestanden und stets auf dem neuesten Stand waren. Es durfte auch nicht jeder den Club betreten, sondern nur diejenigen, die auch die passende Kleidung trugen.

„Hallo, meine Schöne!“, sagte der Barkeeper zu ihr, als sie sich auf einen der Barhocker sinken ließ.

„Hallo David!“, erwiderte Cat leise und mit einem frechen Lächeln auf den Lippen. Die Augen des Barkeepers weiteten sich und ein breites Grinsen trat auf sein Gesicht.

„Catriona! Wie schön, dich zu sehen.“ Er beugte sich vor und gab ihr einen Kuss auf die Wange.

„Ich freue mich auch dich zu sehen. Es ist schon eine Ewigkeit her, seit ich das letzte Mal hier war.

„Willst du einen Spezialdrink?“

„Nein. Ich fange heute klein an. Ich hätte gerne einen Gin Tonic“, bestellte sie zwinkernd und schlug die Beine übereinander.

„Soso, Mrs. Norton. Einen Gin Tonic, also!“ David drehte sich zu einer Frau mit langen schwarzen Haaren. „Kitty! Einen Gin Tonic“, rief er ihr ernst zu, ehe er sich wieder Catriona zuwandte.

„Was führt dich denn heute Abend hierher?“, erkundigte er sich bei ihr und lächelte sie an.

„Ihr habt mir alle sehr gefehlt. Außerdem muss ich wegen Morgen noch etwas mit Drake besprechen.“ Neugierig hob David eine Augenbraue.

„Ich dachte, du bist Silvester bei Isabell?“ Stirnrunzelnd beugte er sich vor und stützte dich mit den Ellenbogen auf der Theke ab.

„Nein. Es ist etwas dazwischen gekommen. Isabell musste abtauchen. Ich habe schon seit einigen Monaten nichts mehr von ihr gehört, und ehe ich morgen Abend nur daheim sitze und Trübsal blase, feiere ich doch lieber hier!“ Sie sah ihn mit einem schüchternen Lächeln in die dunkelgrünen Augen. Fasziniert beobachtete sie den Ausdruck in seinen Augen. Ein leichtes Lächeln spielte um seine Mundwinkel, als er sich noch ein Stück weiter vor beugte.

„Cat, dein Gin Tonic“, riss Kittys Stimme sie aus ihrer Trance. Mit den Lippen formte sie lautlos ‘Dankeschön‘ und nippte schließlich kurz an ihrem Glas.

„Ehe du mich jetzt in Grund und Boden starrst, gehe ich lieber zu Drake!“ Mit einem frechen Lächeln auf den Lippen, erhob sie sich, schnappte ihren Drink und strich ihr Kleid glatt.

„Bis dann, mein hübscher Junggeselle.“

„Bis dann, Sweetie!“ Er lächelte sie an und obwohl er leise gesprochen hatte, hatte sie ihn, über die laute Musik hinweg, verstanden.

Als sie auf den Ausgang zuschritt, sah Cat zu DJ, der, gegenüber von der Bar, vor seinem Pult stand und ihr zuzwinkerte. Catriona errötete. Er hatte sie die ganze Zeit beobachtet. Ein paar Schritte entfernt standen einige junge Mädchen und schmachteten ihn an. Vielleicht hatte er ja auch ihnen zugezwinkert? Mit der Zungenspitze tippte Catriona ihre Oberlippe an und fuhr kurz über diese drüber. Der DJ schüttelte, sichtlich amüsiert, den Kopf.

Catriona drehte sich um und ging zur Tür, die ebenfalls schwarz war. Der Bass der Musik hämmerte ihr in den Ohren, der Alkoholgeruch lag ihr in der Nase und der feine Nebel hing schwer in der Luft. Catriona genoss diese Atmosphäre, nahm sie tief in sich auf, und öffnete die Tür. Im Flur war es kälter als im Club, auch die Luft war klarer. Cat nippte noch einmal kurz an ihrem Drink, ehe sie ganz nach draußen ging.

Vor dem Club standen einige Jugendliche, die sich lautstark unterhielten und rauchten, während Patrick sie nicht aus den Augen ließ. Catriona trat an Patricks Seite, trank einen kleinen Schluck und sah zu den Jugendlichen.

„Kannst du dich noch daran erinnern, als wir so alt waren?“, fragte Patrick mit einem leichten Schmunzeln.

„Was denkst du, wie alt sie sind? Siebzehn? Achtzehn vielleicht?“

„Höchstens neunzehn! Man, wenn es damals schon Clubs gegeben hätte!“

„Das wäre toll gewesen. Aber ich bin gerade mal siebzehn geworden.“ Patrick sah sie an.

„Erzählst du mit irgendwann mal was passiert ist?“, fragte er sie leise.

„Vielleicht!“ Mit diesen Worten beendete sie das Gespräch und löste sich von Patrick.

Er rief ihr nach, doch sie reagierte nicht auf ihn. Sie wollte nicht über ihre Vergangenheit reden. Das hatte sie ihm oft genug gesagt, aber er fragte sie immer wieder danach.

Mit schnellen Schritten nahm sie Abstand von ihm und ging auf ein kleines, flaches Gebäude zu, das sich rechts von dem Club befand. Sie drückte die Klinke nach unten und trat ein. Wieder befand sie sich in einem kleinen Flur, dessen Boden ebenfalls schwarz war. Es gab allerdings drei Türen. Links lag die erste Tür, die mit ‘D. Pains‘ beschriftet und aus edlem, schwarzem Holz gefertigt war. Die anderen zwei Türen, die eine lag rechts, die andere gegenüber dem Eingang, trugen keinen Schriftzug. Catriona erinnerte sich daran, wie sie das erste Mal hier gewesen war. Damals war sie noch sehr unerfahren gewesen und musste sich so einiges anhören. Seufzend trank Cat einen kleinen Schluck, ehe sie an der Tür mit dem Schriftzug ‘D. Pains‘ klopfte.

„Komm herein!“, rief eine tiefe Männerstimme von drinnen. Sie trat ein und schloss die Tür hinter sich. Der Raum, in dem sie stand, war riesig. Die Wände wurden in einem eleganten Weinrot gestrichen, an der Decke war ein, mit Diamanten verzierter, Kronleuchter angebracht. Der Raum hatte die Form eines Rechteckes, in deren hinteren linken Ecke ein Sofa in der Form eines L aus schwarzem Leder stand. Davor war ein kleiner Tisch positioniert und an der Wand hing ein gigantischer Plasmafernseher.

Gegenüber der stand ein, zur Wand schräg stehender, Schreibtisch aus feinem dunkelbraunem Holz, auf dem jede Menge Ordner, einzelne Blätter und Laptops, Tablets und andere Technik lagen. Dahinter, sowie davor, standen zwei Stühle. An der rechten Ecke des Schreibtisches lehnte ein Mann mit blonden Haaren in einem schlichten, schwarzen Anzug, die Hände in den Hosentaschen vergraben. Mit einem strahlenden Lächeln auf den Lippen musterte er Cat.

„Hey Kleines!“

„Hey Drake“, murmelte sie und schlang lächelnd die Arme um ihn, als er auf sie zukam und sie umarmte. Drake war eins einundachtzig groß, muskulös gebaut und hatte strahlend blaue Augen.

„Was führt dich denn hierher?“

„Ich muss mit dir wegen morgen Abend reden.“ Ihr Blick war ernst und auch sein Gesicht wirkte wieder ernst. Er ging zu seinem Schreibtisch, setzte sich und deutete auf den Stuhl vor ihm.

„Setzt dich!“ Sie gehorchte ihm und stellte ihren Drink vor sich auf den Schreibtisch. Das Polster des Stuhls war weich und bequem.

„Öffentlich oder privat?“, fragte er direkt und hob eine dunkelblonde Braue.

„Öffentlich.“ Sie hatte so etwas zwar noch nie gemacht, aber sie wusste, was er meinte.

„Den ganzen Abend oder Zeitbegrenzt? Wie viele seit ihr?“ Er machte sich nebenbei Notizen.

„Den ganzen Abend. Zehn, inklusive mir und einem anderem Vampir.“ Er nickte.

„Specialdrinks?“

„Ja, auf jeden Fall!“

„Dein Budget?“

„Unbegrenzt.“ Sie grinste ihn breit an, sodass seine Mundwinkel leicht nach oben zuckten.

„Gut. Hast du noch irgendwelche Sonderwünsche?“ Wieder hob er eine Braue.

„Ich würde gerne einen Platz in der zweiten Etage mieten. Mit Blick auf den DJ, wenn es ginge.“ Ein schüchternes Lächeln trat auf ihre Lippen, als sie ihm fest in die Augen sah.

Seufzend nickte Drake. „Gut. Das wäre dann alles. Ab neunzehn Uhr geht es los. Das Thema lautet dieses Jahr ‘Black and White‘.“ Er grinste. Seine strahlend weißen Zähne kamen zum Vorschein.

„Alles klar. Danke.“ Sie sah auf ihre Uhr und hörte, wie Patrick sich mit Luke unterhielt, dem anderen Türsteher. Offenbar war es Zeit für einen Schichtwechsel. Sie wandte sich wieder an Drake. „Danke, dass du das so kurzfristig noch organisieren kannst. Ich wüsste nicht, was ich ohne dich machen würde.“
„Kein Problem, Süße. Ich weiß doch, was du in letzter Zeit durchmachst. Er lächelte ihr aufmunternd zu. Errötend blickte zu ihm auf.

„Trotzdem Danke! Ich mache mich jetzt auf den Weg. Wir sehen uns morgen Abend.“ Sie ging um den Tisch herum und umarmte ihn. Tröstend schlang er die Arme um sie, strich ihr über den Rücken.

„Ich hab dich lieb, meine Kleine“, murmelte er an ihrem Ohr und küsste sie auf die Wange.

„Ich dich auch, Drake. Sag doch bitte Patrick, dass es mir leid tut und ich mich morgen Abend dafür revanchiere!“ Sie küsste ihn ebenfalls auf die Wange und verließ sein Büro. Drake war für sie wie der Vater, den sie nie hatte. Seit sie ihn kannte, hatte sie eine Konstante in ihrem Leben, die sich hoffentlich nicht so schnell änderte.

 

Als Catriona am nächsten Abend aus der schwarzen Limousine stieg, strömte ihr kalte Luft entgegen. Unter ihren glitzernden, weißen High Heels zerschmolz der Schnee, der den ganzen Tag über gefallen war. Der Eingang des ‘Moonlight‘ wurde in ein sanftes, warmes Licht getaucht. Patrick stand mit einem leichten Lächeln und, hinter dem Rücken, verschränkten Händen in einem tiefschwarzen Anzug davor, den Blick immer auf die Straße gerichtet. Seine Mundwinkel zuckten leicht nach oben, als er sie sah, dennoch blieb der ernste Ausdruck auf seinem Gesicht.

„Sie können uns gegen halb vier abholen“, sagte sie zum Fahrer der schwarzen Limousine, ehe sie die Tür schloss. Mit einem Lächeln drehte sie sich um. Grinsend hakte sie sich bei zwei Frauen unter, die beide ein schwarzes Kleid trugen. Hinter Catriona und den beiden Frauen liefen sechs Andere und ein junger Mann. Als sie Patrick erreichten, der zur Feier des Tages seine Haare ordentlich nach oben frisiert hatte, grinste er sie breit an und pfiff anerkennend.

„Wow Ladys. Ihr seht ja bezaubernd aus.“ Patrick beachtete Catriona nicht, hatte nur Augen für ihre Begleiterinnen, die ihn alle anlächelten.

Cat verdrehte die Augen und küsste ihn auf die Wange. „Du kannst ja nachher beide haben, aber jetzt musst du leider aufhören, sie mit den Augen zu verschlingen“, flüsterte sie ihm ins Ohr.

Der junge Mann hinter ihr lachte leise. Patrick runzelte die Stirn.

„Patrick, das ist Victor. Victor, das ist Patrick. Victor ist ein guter Freund von mir und Patrick ist der Türsteher des Clubs.“ Sie sah abwechselnd von Patrick zu Victor. „Victor ist einer von uns.“ Sie sah Victor in die Augen. Ein Lächeln trat auf seine Lippen und seine dunkelblauen Augen blitzten kurz auf. Victors weißer Anzug bildete dazu den perfekten Kontrast. Er sah keinen Tag älter aus als fünfundzwanzig.

„Gut. Drake hat einen Platz in der zweiten Etage vorbereitet. Er hat sich sehr viel Mühe gegeben.“ Er lächelte. Cat nickte, trat an ihm vorbei und betrat den Club.

Victor pfiff leise. „Wow!“, raunte er. Cat grinste und nickte. Sie winkte ihn und die anderen zu einer Treppe, die links neben dem Eingang lag und, wie alles andere auch, aus schwarzem, edlem Holz bestand. Am anderen Ende der Wendeltreppe war es schon viel ruhiger, als in der ersten Etage. In der Mitte gab es ein rundes Loch, sodass man auf die tanzenden Gäste in der ersten Etage gucken konnte. Ein Geländer wurde am Rand des Lochs angebracht und an jeder Ecke der zweiten Etage stand ein großer Tisch mit einem U-förmigen Sofa. Es gab auch noch vier kleinere Tische mit jeweils einem L-förmigen Sofa. Auf einem der Tische in der Ecke stand eine riesengroße schwarze Vase mit vielen roten Rosen darin. Cat lächelte und ging zu dem Tisch. Neben der Vase lag eine Karte. Als Cat die Karte aufklappte, lächelte sie noch breiter. „Danke“, sagte sie ganz leise. Sie ließ sich auf das Sofa sinken, saß neben Victor. Er scherzte mit den anderen Frauen, die fasziniert von ihm waren – kein Wunder, er sah ja auch zum Anbeißen gut aus.

Victor stieß sie in die Seite und lächelte sie leicht besorgt an.

„Süße, ist alles in Ordnung? Wann hast du das letzte Mal was gegessen?“

„Ja, alles bestens. Ich hole uns am besten ein paar Drinks. Was wollt ihr? Champagner?“

„Ohja. Gerne“, stimmten ihr die Frauen zu. Auch Victor nickte. Catriona stand auf und ging nach unten, während ihre weiß glitzernden High Heels auf dem Boden klapperten. Als sie an der Bar und wartete, lauschte sie der Musik. Der DJ hatte gerade ‘Diamonds‘ von Rihanna aufgelegt, als David sie ansprach und sie zusammenzucken ließ.

„David. Erschreck mich nicht so.“

„Tut mir Leid, Kleines. Ich sehe dir an, dass dich etwas beschäftigt, aber heute habe ich echt eine Menge zu tun. Was kann ich dir bringen?“

„Nein Champagner und einen Specialdrink!“ David grinste sie breit an. Er drehte sich zu Kitty um. „Kitty, neun Champagner." Er sah wieder zu Catriona. „Komm mit.“ Er trat hinter der Bar hervor und führte sie aus dem Club hinaus in den kleinen Flur. Sie gingen durch die Tür auf der ‘Personal‘ stand und hinab in den Keller.

„Also, was quält dich? Du bist die ganze Zeit so still.“

„Ich habe nur über Isabell nachgedacht und wie schön es wäre, wenn sie hier wäre.“

„Isabell geht es bestimmt gut. Ich fände es auch schön, wenn sie hier wäre.“ Er lächelte sie an. Als sie im Keller ankamen, roch es überall nach Blut. Catriona sog den Duft tief in ihre Nase. Sie knurrte. Der Geruch kam von dem Raum, der gegenüber der Kellertür lag. Dem Raum für die Blutsklaven. Blutsklaven waren Menschen, die den Vampiren im Moonlight Blut spendeten.

Catriona fühlte sich plötzlich viel zu heiß und das Kleid war ihr mit einem Mal viel zu viel Stoff. Wieder knurrte Cat, während David grinste und ebenfalls die Zähne bleckte. Ehe sie etwas Dummes tun konnte, ging Catriona zu dem Raum und betrat ihn.

„Wir haben heute drei Frauen im Alter von einundzwanzig und zweiundzwanzig Jahren und einen neunzehnjährigen jungen Mann.“

Cat verdrehte die Augen und lachte leise. „War ja klar, dass ihr mehr Frauen als Männer zur Verfügung habt. Ich würde deswegen gerne von dem jungen Mann probieren.“ David nickte und führte sie zu einem Tisch, der gegenüber der Tür lag und das einzigste war, was beleuchtet wurde. Hinter ihnen klapperte es, doch David und Catriona ignorierten die vier Gefangenen.

Auf dem braunen Holztisch standen viele verschiedene Becher in unterschiedlichen Größen und auch einige Spritzen und Messer. David nahm eine der kleineren Spritzen vom Tisch und ging zu den Gefangenen. Catriona folgte ihm, und obwohl es dunkel war, sah sie alles. Sah die drei jungen, brünetten Frauen und den verängstigten Blick. Sah den jungen Mann, der ihrem Blick standhielt. Seine grünen Augen verdunkelten sich, seine Lippen teilten sich ein wenig und Cat sah, wie sich sein Brustkorb immer schneller hob und senkte. Seine Hände waren über ihm mit Fesseln fest gemacht wurden, damit er nicht fliehen konnte. Blonde kurze Strähnen hingen ihm ins Gesicht. Seine Haut war etwas blass, dennoch drückte seine Körpersprache Stärke und Entschlossenheit aus. Catriona war fasziniert von diesem Jungen. Er zeigte keine Angst und er sah verdammt gut aus.

David löste seinen linken Arm, während seine grünen Augen ständig auf ihre hellblaue gerichtet waren. Als David ihm am linken Arm etwas Blut abnahm, spannten sich seine Muskeln an und sein Gesicht verzog sich kurz vor Schmerz. Catriona knurrte, bleckte die Zähne bei dem köstlichen Geruch seines Blutes. Es roch süß, verführerisch.

„Mund auf, Süße!“, sagte David und Cat gehorchte. Er tröpfelte ihr etwas von dem Blut in den Mund. Catrionas Sinne veränderten sich augenblicklich. Ihre Sehkraft wurde schärfer, ihr Geruchssinn verbesserte sich. Sie fühlte sich körperlich stärker. Ihre Augen begegneten dem forschen Blick des jungen Mannes, dessen Blut ihr eigenes in Wallung brachte. Obwohl ihr Körper im Dunkeln lag, da sie mit dem Rücken zur Lichtquelle stand, hatte sie das Gefühl, dass der junge Mann in ihrem Blick lesen konnte, was in ihr vorging. Sein Blick wanderte nun über ihren Körper. Unter seinem Blick fühlte sich ihr Kleid viel zu eng und ihr Blut viel zu warm an. Sie ließ es sich jedoch nicht anmerken, obwohl sie überrascht war. Noch nie hatte das Blut eines Menschen solch eine Reaktion hervorgerufen und auch Männer wie er interessierten sie normalerweise nicht. Sie kannte viele Männer, Vampire als auch Menschen, die attraktiver aussahen, als er und auch muskulöser waren. Dennoch war sie fasziniert von ihm, fühlte sich von ihm angezogen. Ihr Herz zog sich für einen Moment zusammen, als sich sein Bild in ihren Kopf einprägte.

Kurzerhand fasste Catriona den Entschluss, ihm zu helfen. Sie zog ihre Schuhe aus, die sie gute zehn Zentimeter größer machten, ging zu ihm, hob ihr Kleid an und kniete sich neben ihn. Der Blutgeruch wurde stärker, ihre Zähne ein Stück länger und ihr Hunger wuchs wieder.

„Was tust du da?“ Davids Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Sie warf ihm einen scharfen Blick zu.

„Ihm helfen. Aber davor musst du ihm Blut abzapfen. Für einen Drink.“ David seufzte. „Cat…“ Er stoppte, als er ihren scharfen Blick bemerkte. Kopfschüttelnd ging er zu ihr, zapfte dem jungen Mann Blut ab und füllte es in einen kleinen Messbecher.

„Wenn du in fünf Minuten nicht oben bist, komme ich runter, dich holen.“ Mit diesen Worten verschwand er.

Catriona sah ihm hinterher, dann zu dem jungen Mann. Sie biss sich in ihr Handgelenk und hielt es an seine Lippen. Mit der linken, ihrer gesunden, Haaren strich sie ihm die Haare aus der Stirn.

„Trink“, flüsterte sie, presste seine Lippen an ihre Haut. Sie fühlten sich trocken und rissig an. Sein linker Arm war immer noch frei, und seine linke Hand schloss sich um ihr Handgelenk. Sie konnte seine Muskeln fühlen, spürte wie seine Kraft wiederkehrte.

Nach einer Weile ließ er von ihr ab, blickte zu ihr auf und lächelte sie charmant an. Dabei berührte seine Zungenspitze kurz ihre Haut. Scharf einatmend, entzog sie ihm ihr Handgelenk und verschloss die Wunden, indem sie mit ihrer Zunge darüber fuhr.

 

Nachdem Catriona den jungen Mann wieder gefesselt hatte, ging sie nach oben um ihr Getränk abzuholen und sich zu ihren Freunden zu gesellen. Diese tranken gerade an der zweiten Champagnerflasche und schienen viel Spaß zu haben. Catriona stellte ihr Glas auf dem Tisch ab und lehnte sich zurück. Ihr war zu warm und zu eng. Sie sehnte sich nach Berührung. Nach seiner Berührung!

„Süße, alles in Ordnung?“, wurde sie von Victor gefragt, der sich mit zwei der Mädchen unterhalten hatte.

„Ja, alles in bester Ordnung“, bestätigte Cat lächelnd. Sie nippte an ihrem Drink schloss genüsslich die Augen. Trotz des Genusses hatte Catriona Schuldgefühle. Sie trank gerade das Leben dieses jungen Mannes, um ihr eigenes zu erhalten. Zum ersten Mal seit über hundert Jahren wollte sie den Drink weggeben und auf Blut verzichten. Zum ersten Mal seit über hundert Jahren wollte sie vor ihrem Leben, ihrem Wesen, davonlaufen. Abrupt öffnete sie die Augen. So durfte sie nicht denken. Als sie zuletzt so gedacht hatte, endete es in einem Blutbad, von dem sie heute noch Alpträume hatte, die sie manchmal tagelang nicht schlafen ließen. Heute Nacht würde so eine Nacht sein. Allein die Begegnung mit dem geheimnisvollen Jungen hatte gereicht, um sie an ihre Vergangenheit zu erinnern, und den grausamsten Teil ihres Lebens zurückkehren zu lassen.

Sie musste weg. Musste weg von diesem Jungen. Weg von den Schuldgefühlen. Weg von ihrer Vergangenheit. Aber ihr Körper wollte ihr nicht gehorchen. Ihr Körper wollte zu dem Jungen, von dem sie sich so sehr angezogen fühlte. Ihr Körper wollte sich an seinen schmiegen und wieder genau dasselbe empfinden, wie vor über hundert Jahren. Sie fühlte Tränen in den Augen, als sie an diese Zeit zurückdachte. Ihr Herz war seitdem gebrochen. Egal wie viel Liebe ihr entgegen kam, konnte sie nicht vergessen, und wollte es eigentlich auch nicht.

Nein, hallte es in ihrem Kopf wieder. Sie war sich nicht sicher, ob dieses Wort auch ihren Mund verließ. Sie hatte auch keine Kraft sich umzusehen. Sie starrte einfach vor sich hin, war versunken in ihren Gedanken. Catriona hatte jegliches Zeitgefühl verloren, fühlte sich schwerelos und in der falschen Zeit.

„Cat…“ Theodore, DJT oder auch Ted, kniete vor ihr, berührte sanft ihren Arm.

„Nein“, flüsterte Cat, als sie seine Stimme vernahm. Seine Stimme hatte sie aus ihrer Trance zurückgeholt. Ihr Blick wurde klarer, Tränen glitzerten in ihren Augen

„Ted“, murmelte sie, froh darüber in zu sehen. Er zog sie in seine Arme, in dem Versuch sie zu trösten. Nun ließ sie ihren Tränen freien Lauf. Sie spürte Victors Blick in ihren Rücken.

„Ich will hier raus“, murmelte sie. Ted spannte sich an. Hinter ihr erhob sich gerade Victor, doch Catriona wollte nicht mit Victor alleine sein. Rasch stand Catriona auf, nahm Teds Hand. Sie sah Victor fest in die Augen. Sie hatte erwartet, dass er gekränkt wäre, doch er strich ihr nur über die Wange. Victor lächelte sie traurig an. Catriona küsste ihn dankend auf die Wange, nahm sich ihr Glas und ging mit Ted raus an die frische Luft.

Draußen atmete sie tief durch, dann trank sie den Rest ihres Getränks aus.

„Danke.“ Sie lächelte ihn an, während er sich ihr näherte und sie in eine lange Umarmung zog.

„Ist es wegen Ihm?“, fragte er sie sanft. Catriona nickte. Sie hatte Ted und Drake ihr Leben anvertraut, sie vertraute ihnen. Wenn sie reden wollte, war immer einer von ihnen da.

„Oh Süße. Ich weiß, du hast Luke geliebt, aber er hat versucht dich zu töten. Du musst ihn vergessen!“ Wie oft hatte er ihr das schon gesagt? Doch sie konnte, oder wollte, ihn nicht vergessen. Er war ihre erste große Liebe gewesen, auch wenn dies schon vor über hundert Jahren war.

„Ich kann nicht. Er war meine erste große Liebe“, schniefte sie.

„Er wollte dich töten. Deswegen hast du immer noch Alpträume. Wenn du Luke vergisst, bringen dich Jungs, wie der da unten, auch nicht mehr aus der Fassung.“

„Er bringt mich nicht aus der Fassung“, zischte sie. Ted hob eine Braue. Ja, gut, der Junge hatte sie aus der Fassung gebracht.

„Entschuldige, Ted“, murmelte sie und sah zu ihm auf. Ted lächelte und küsste sie auf die Wange.

„Geh nach Hause und schlaf dich aus. Morgen reden wir dann, okay?“

„Okay. Danke Ted!“ Sie umarmten sich zum Abschied.

„Frohes Neues, meine Kleine.“ Catriona war gar nicht aufgefallen, dass es schon nach zwölf war. Sie grinste Ted breit an. „Frohes Neues!“ Dann drehte sie sich um und ging die Straße entlang nach Hause. Sie brauchte die frische Luft einfach.

 

Nachdem Catriona nicht mehr in Sichtweite war, und er sich sicher sein konnte, dass er sie nicht mehr hören konnte, warf Ted einen kurzen Blick zum Büro seines Chefs, ehe wieder in den Club ging. Allerdings wollte er nicht an sein Pult, sondern in den Keller. Mit festen Schritten betrat er den Raum der Blutsklaven, sah nach links zu den vier Menschen. Die drei Frauen blickten ihn ängstlich an und er bleckte die Zähne. Dabei stach ihm das Blut heftig in die Nase. Als seine Sinne jedoch stärker wurden, konnte er Catrionas Blutgeruch isolieren. Er hatte schon oft gesehen, wie sie geblutet hatte, aber dies war etwas anderes gewesen.

Sein Blick fiel auf den Jungen, dessen Kopf nach unten hing und dessen Körper schwach aussah. Ted knurrte. Catrionas Vergangenheit war schlimm genug, aber dass sie ihm geholfen hatte, war noch schlimmer. Jetzt hatte Ted einen Plan gefasst.

Er kniete sich vor ihn und hob seinen Kopf an. Er war blass, sah echt mies aus. Ted grinste ihn höhnisch an.

„So Kumpel. Du hältst ja eh nicht mehr lange durch und da ich finde, dass so ein ‘sanfter‘ Tod viel zu harmlos für dich ist, wirst du mir helfen, Catriona vergessen zu lassen“, raunte Ted. Zu seiner Überraschung verzog der Junge keinen Muskel. Ted verpasste ihm einen Stoß in die Rippen, die Frauen keuchten auf, doch Ted schenkte ihnen keine Beachtung. Er lauschte, ob einer der Vampire die Frauen gehört hatte, aber es schien nicht so zu sein. Der Junge vor ihm hustete, allerdings war das alles. Er ignorierte Ted völlig. Dieser hatte jetzt endgültig die Schnauze voll. Er nahm ein Messer vom Tisch und hielt es direkt vor sein Gesicht.

„Wenn du nicht gleich reagierst, werde ich dafür sorgen, dass jeder Vampir in diesem Club dich bis auf den letzten Tropfen aussaugt.“
„Das ist wenigstens ein schneller Tod“, flüsterte der Junge. Er brachte Ted zum Kochen, doch leider musste er ihm Recht geben.

„Dann hast du aber ein Glück, dass ich schon einen anderen Plan für dich habe.“ Ted zückte sein Handy und wählte Catrionas Nummer.

„Ted, was gibt’s?“, meldete sich Cat.

„Ich will nur wissen, ob du heil angekommen bist. Ich mache mir Sorgen um dich.“ In Teds Stimme schwang Aufrichtigkeit mit. Er meinte es todernst.

„Ja, ich bin heil zu Hause angekommen. Es ist echt lieb, dass du dich um mich sorgst.“

„Du bist für mich, wie eine kleine Schwester. Da mach man sich ständig Sorgen.“

„Oh Ted. Du bist echt süß. Ich muss jetzt auflegen, Bis dann.“

„Schlaf gut, Süße“, murmelte Ted und legte auf. Manchmal hatte er das Gefühl, dass er mehr für Catriona empfand, als er sich eingestehen wollte.

„Na, verliebt?“, giftete der Junge. Ted stieß ihn wieder in die Rippen, dennoch wusste Ted, dass er irgendwie Recht hatte, und das gefiel ihm gar nicht. Er wollte nichts für sie empfinden und er wollte auch nicht, dass ein Blutsklave Recht hatte und über seine Gefühle Bescheid wusste.

Er lauschte wieder, ob Vampire in der Nähe waren, aber da war keiner. Sie waren alle im Club, selbst die Türsteher. Ted sah zu den Frauen.

„Macht ja keinen Mucks, sonst seid ihr tot, verstanden?“ Die Frauen nickten, während Ted durchatmete und dann dem Jungen direkt in die Augen sah.

„Dasselbe gilt jetzt für dich!“ Bevor der Junge etwas sagen konnte, löste Ted die Fesseln, indem er sie in der Mitte zerriss. Dann warf er sich den Jungen über die Schulter und rannte in Vampirgeschwindigkeit aus dem Keller und aus dem Club. Die Straßen San Franciscos waren zu dieser Zeit recht voll, doch die Menschen konnten Teds Geschwindigkeit mit bloßem Auge nicht wahrnehmen, und so rannte er, mit dem Jungen über der Schulter, zu Catrionas Wohnung.

Er hielt jedoch einige Blocks entfernt davon an, in einer schmalen Gasse. Den Jungen ließ er ebenfalls runter, presste ihn dann aber an die Wand. Er verpasste ihm einen kurzen Schlag, sodass er das Bewusstsein verlor und nicht gegen Ted ankämpfen konnte. Dieser musste sich nun beeilen, auch wenn er bezweifelte, dass sich, gerade zu Silvester, irgendwelche Vampire in der Nähe befanden.

Ted zog ein Messer aus seinem Hosenbund und begann die Haust seines Opfers aufzuschlitzen. Als er fertig war, ritzte er Cats Initialen ‘CBN‘ in seine Brust. Dann legte er den, fast schon leblosen, Körper behutsam auf den Boden, sah sich um, und verschwand.

Er wusste, dass Cat schon auf dem Weg war und musste daher so schnell wie möglich zurück zum Club. Er konnte nur hoffen, dass Catriona vergessen konnte…