,,Juliette! Kommst du? Wir wollen los!", rief mein Dad von unten und ich sah mich um. Mein Zimmer war leer, das einzigste was ich noch von meinem Zimmer hatte, war ein Karton auf dem 'Kuscheltiere' geschrieben stand. Ja, ich besaß so einige Kuscheltiere und wollte das auch nicht ändern, da an jedem von ihnen eine besondere Erinnerung hängte. Mein Zimmer war mit einer lila-weißen Tapete überzogen. Ich hatte sie vor 2 Jahren zusammen mit meiner Mum ausgesucht und spontan rollten mir Tränen über die Wangen, da meine Mum vor 1½ Jahren bei einem tragischen Busunglück ums Leben kam. Aber nun wollte ich keine Gedanken mehr an die Vergangenheit verschwenden und an die Zukunft denken. Ja, mein Dad und ich zogen um. In die schönste Stadt der Welt! New York! Da mein Dad dort eine neue Arbeitsstelle gefunden hat.
Vor 4 Wochen waren wir schonmal dort, weil mein Vater sich erst ein wenig in der neuen Firma einleben wollte. Wir suchten uns eine Wohnung und blieben erstmal eine Woche dort, um die Wohnung mit Möbeln zu bestücken und Handwerkern aufzutragen, die Bäder, die Küche und das Wohnzimmer fertig zumachen. Nur die Schlafzimmer machten wir alleine und ich durfte mir sogar einen Hund aussuchen. Es war eine Dackeldame. Ich hatte sie Mari getauft und sie war dunkelbraun und natürlich hatte sie am linken Hinterbein einen hellbraunen Fleck, den ich total niedlich fand. Leider hatte sie am rechten Ohr eine Verletztung und war die kleinste aus ihrem Wurf, aber das machte mir nichts aus, da ich schon immer eine Liebe zu Tieren hatte, die ich wahrscheinlich von meiner Mutter geerbt hatte.
Seuftztend ging ich aus meinem Zimmer und schloss die Tür. Mein Vater lehnte in der Küche an der Theke und sah mich aus seinen strahlend braunen Augen an, die ich von ihm geerbt hatte. Seit Mum's Unfall sahen sie mich so an, obwohl sie mich davor oft angefunkelt hatten. Deshalb kam es mir so komisch und auch etwas beängstigend vor, dass sie mich nun anlächelten und überhaput mal nicht sauer auf mich waren. Mein Dad war öfter sauer auf mich gewesen, aber seit ich meine Mum verloren hatte, versteckte er seine wut auf mich und war nur noch freundlich.
Mal wieder stand ich dort Gedankenversunken vor meinem Vater, wie ich es so oft machte. Ja, ich dachte oft nach. Über alles was mich in dem Moment beschäftigte. Mein Dad schnippte mit zwei Fingern vor meinem Gesicht rum, sodass ich kurz zusammenzuckte. Er lächelte mich an.
,,Na komm! Gehen wir runter!" Er nahm mir meinen Karton ab und ich folgte ihm aus der Wohnung. Unten am Auto packte er den Karton zu den anderen Sachen in den Kofferraum, während ich zu unserer alten Wohnung hinaufstarrte. Dort war ich aufgewachsen und hatte mein Leben verbracht und nun sollte ich einfach wegziehen? Es war eigentlich unvorstellbar, doch auf lange Sicht der einzigste Weg alles Geschehene hinter mir zu lassen!
Ich spürte eine Hand auf meinem Rücken und sah auf. Mein Vater stand neben mir und lächelte mich an. Seine Haare waren braun und man konnte kein einziges graues Haar erkennen, obwohl er nicht mehr der Jüngste war. Beeindruckend!
,,Also, setzt du dich schonmal ins Auto. Ich geh nach oben und schließe ab. Danach fahren wir zum Flughafen!" Mit diesen Worten war er auch schon verschwunden und ich lies mich auf den Beifahrersitz sinken. Ich machte es mir bequem und holte mein Handy aus meiner vorderen rechten Hosentasche raus und aus der linken mein Headset, welches ich gleich anschloss. Auch wenn wir nur eine halbe Stunde bis zum Flughafen brauchten, konnte ich tatsächlich noch einschlafen.
Alles um mich herum war schwarz und leer. Bis Bilder meiner Mutter auftauchten. Es waren welche aus der Vergangenheit und nur positive Erinnerungen. Ich wunderte mich nicht, dass ich sowas träumte, da ich oft solche Träume hatte und mich daher daran gewöhnt hatte.
,,Juli.. Aufstehen. Wir müssen los", sagte mein Vater sanft und ich öffnete die Augen. Etwas verschlafen stieg ich aus und sah schon meinen Onkel am Kofferraum stehen. ,,Onkel Thomas!", rief ich freudenstrahlend und fiel ihm um den Hals. Lachend sah ich ihn an, als er mich hochhob, aber danach gleich wieder runterließ. ,,Na, nicht mehr so stark was?", neckte ich ihn und mir kamen doch tatsächlich die Tränen. In letzter Zeit kamen mir oft die Tränen, aber dafür gab es auch ausreichend Gründe:
Erstens, meine Mum ist gestorben. Zweitens, nicht jeden Tag zog man von Berlin nach New York. Drittens, ich musste mich schweren Herzens von meiner Familie und meinen Freunden verabschieden. Viertens, ich bekam einen Hund!
Wieder mal versank ich in meinen Gedanken und bekam leider erst zu spät mit, dass mich mein Vater schon weitergeschleppt hatte. Das war aber auch gut, da ich nicht wirklich gut darin war, mich von geliebten Menschen zu verabschieden und in letzter Zeit war mein Onkel sehr oft für mich da gewesen.

Nach zwei quälend langen Stunden im Flugzeug, war ich endlich eingeschlafen und träumte mal, überraschenderweise, nicht von meiner Mutter. Nein, stattdessen war es nur schwarz bis ich das Gefühl hatte beobachtet zu werden. Erst bildete ich mir das nur ein, doch dann schreckte ich auf. Ängstlich, beinahe panisch sah ich mich um, doch konnte nichts erkennen. Da ich mich nicht gerade unauffällig umsah, sahen schon einige Leute etwas verdattert her, und mein Selbstbewusstsein stieg wieder. Neben mir regte sich mein Dad und sah mich verschlafen an, was mich zum Grinsen brachte.
,,Schätzchen was ist los?", fragte er müde, doch ich winkte ab. ,,Ach nichts Dad. Schlaf weiter." Und kaum hatte ich das gesagt, war er auch schon wieder weggenickt. Vielleicht hatte ich mir diese Beobachterei auch einfach nur eingebildet? Ganz bestimmt.
Da ich jetzt nicht mehr schlafen konnte, rechnete ich schnell nach. Um einundzwanzig Uhr war das Flugzeug abgehoben, und da wir neun Stunden flogen, mussten wir um sechs Uhr in New York landen. Zumindestens war es dann in Berlin so spät, da Berlin New York aber sechs Stunden im vorraus war, war es zwölf Uhr in der Nacht, wenn wir landen würden. Ein bisschen Angst hatte ich ja davor, alleine in einer fremden Stadt zu sein! Gut, mein Dad war dabei, aber dennoch hatte ich Angst. Durch die viele Denkerei übermannte mich eine große Müdigkeit und ich fiel wieder in einen seidigen Schlaf. Dieses Mal träumte ich absolut nichts.
Ein sanftes Schulterrütteln weckte mich und ich sah auf. ,,Spätzchn wir sind da!" Mein Vater lächelte mich an und half mir auf. Ich hatte ganz vergessen, dass es so spät am Abend war, doch das wurde mir schlagartig bewusst, als wir nach draußen in die Nacht traten.
Nachdem wir die ganzen Sachen geholt hatten, ich hatte das Gefühl, das alles geschah innerhalb einer Minute, packte mein Vater sie in unser neues Auto und ich setzte mich schonmal auf den Beifahrersitz. Eigentlich war ich müde, doch ich hatte immer noch Angst und deswegen schlief ich nicht ein.
Wir fuhren eine halbe Stunde bis zu unserer Wohnung in Manhattan. Sie war recht groß und modern und lag im fünften Stock eines Gebäudes, was auch der letzte Stock war. Das Gebäude war schneeweiß und mit einem dunkelroten Dach besetzt. Im Gegensatz zu den anderen Gebäuden war dieses relativ niedrig. aber da konnte ich mir ja auch Morgen noch Gedanken drüber machen und so stieg ich aus. Ich nahm schweigend meine Koffer und ging rein. Zum Glück gab es einen Fahrstuhl, sodass wir schnell oben waren.
Ich ging direkt in die Wohnung und in mein Zimmer, wo ich die Koffer vor mein Bett stellte und mich mit dem Bauch voran, drauf fallen lies. Ich dachte es würde Minuten dauern, bis ich einschlief, doch ich war schon nach einer Sekunde wieder in einen tiefen Schlaf gesunken.

,,DAD!", schrie ich durch die ganze Wohnung. Es war gerade erstmal Elf, als ich wach wurde. Verschlafen kramte ich mir ein übergroßes Shirt, einen roten BH und den dazu passenden Slip raus und ging nach unten. Wir hatten zwei Etagen, wobei die zweite Etage mein Schlafzimmer, mein Bad, ein Arbeitszimmer und ein kleines Wohnzimmer, ebenfalls nur für mich, beinhaltete. In der ersten Etage gab es ein Bad, die Küche, ein großes Schlafzimmer für meinen Vater, ein großes Wohnzimmer, einen Essbereich und ein Büro. Ich wollte zwar noch duschen, aber nicht durch einen kalten Wasserstrahl wach werden und so beschloss ich, mir einen Kaffee zu machen. Gerade hatte ich die Kaffeekanne genommen und eine Tasse in der Hand, als ich eine Bewegung aus meinem Augenwinkel bemerkte. Ich drehte mich um und als ich sah, wer dort auf einem Hocker an der Theke saß, fiel mir die Kaffeekanne aus der Hand und zerbrach auf dem Boden in zwei Teile. Und als ich auch noch sah, dass sie NUR ein Shirt meines Vaters trug, flog die Tasse hinterher.
,,Spatz, was ist los?", fragte mein Vater, sichtlich aus der Puste. Als ich nicht antwortete, runzelte er die Stirn. Ich starrte immer noch die Frau an, die es sich auf dem Hocker, und in dem T-Shirt meines Vaters, gemütlich gemacht hatte. Ich zuckte zusammen, als mein vater plötzlich vor mir stand und mich besorgt ansah.
,,Juli? Geht's dir gut?" Ich streckte die Hand aus und wollte über meine Wange streichen, doch ich schlug seine Hand nur weg.
,,Wer ist ES?" Ich zeigte auf die Frau. Diese stellte sich nun neben den Hocker und mein Vater neben sie. Er legte einen Arm um ihre Taille. ,,Juliette, das ist Amanda. Amanda, das ist meine Tochter Juliette!" Er lächelte Amanda, als auch mich an.
,,Was tut ES hier?"
,,Sie ist meine neue Freundin. Ich habe sie in Deutschland kennengelernt, aber ursprünglich kommt sie aus New York."
,,Wie lange läuft das schon?"
,,Ein halbes Jahr!"
,,Was?" Mir fiel die Kinnlade runter
.,,Ja, so und jetzt machst du die Scherben weg und machst dich frisch. Dann können wir alle zusammen Essen gehen!" Er drehte sich um und verschwand mit Amanda. Kurz bevor er mit ihr in einem kleinen Gang verschwand, der zu seinem Zimmer führte, fasste er Amanda an den Hinter und griff fest zu. Angwidert wendete ich den Blick ab und stapfte ins Bad. Die Scherben würde ich nicht weg machen. Wieso auch? ich war ja nicht daran Schuld! Da mein Bad noch nicht fertig war, musste ich das von meinem Vater benutzten. Ich schloss hinter mir ab und entkleidete mich gerade, als ich hörte wie Amanda und mein Vater den Akt der 'Liebe' vollzogen. Ich stieg unter die Dusche. Toll, jetzt musste ich doch durch einen kalten Wasserstrahl wach werden.
Ich blieb geschlagene 15 Minuten unter der Dusche und als ich wieder rauskam, wickelte ich mir ein Handtuch um die Stellen, die bedeckt werden mussten. Ich föhnte meine Haare und huschte schnell nach oben. Dort schmiss ich meinen Koffer auf das große Bett. Ich zog mir eine Jeanshotpants und ein einfaches schwarzes Top an. Dazu kombinierte ich meine schwarzen Ballerinas, die auf der Spitze jeweils eine Blume hatten.
Ich ging wieder aus meinem Zimmer und blieb am Treppenende stehen. Amanda saß auf dem Hocker und hatte dieses mal eine grüne Hotpants und ein rotes Shirt an. Geschmacksverirrung, dachte ich mir nur und erst jetzt fiel mir eine gewisse Ähnlichkeit zu meiner Mum auf. Amanda hatte hüftlange, glatte schwarze Haare, meine Mum hüftlange lockige Haare. Die einzigen Unterschiede waren nur, dass die Augen meiner Mum blau waren und die von Amanda grün. Außerdem hatte meine Mum auch weichere Geschichtszüge. Ich sah zu Amanda.
,,Du hast die Scherben weggemacht!", stellte ich fest, als ich sah, dass die Scherben von vorhin nicht mehr da lagen.
,,Du hast es ja nicht gemacht, oder?"
,,Wer hat mich denn so erschreckt?"
,,Du hast mich deutlich gesehen!"
,,Ich musste gerade erfahren, dass mein Vater seit einem halben Jahr eine Schlampe fickt, nein mit ihr zusammen ist!", schrie ich sie an und ging zum Flur.
Ich schnappte mir 50 Dollar aus Dad's Brieftasche und verschwand. Ich hörte wie Amanda noch etwas schrie, was sich anhörte wie 'Komm sofort wieder her Fräulein', wobei ich ihr fast an die Gurgel gesprungen wegen dem Fräulein.
Ich ging zum Fahrstuhl und drückte den Knopf. Ich sah auf die Uhr. Es war zwölf Uhr hier, also musste es achtzehn Uhr in Deutschlad sein. Ich beschloss meine beste Freundin Leo anzufrufen, da Sonntag war und wir Sommerferien hatten. Nach einigem Tuten ging sie ran.
,,Leo?", fragte ich in den Hörer.
,,Juli? Bist du es wirklich?", fragte sie ungläubig.
,,Ja, man ich bin es. Hör zu, ich muss dir was erzählen. Mein Vater schläft seit einem halben Jahr mit irgendsoeiner Tussi.. Leo?" Plötzlich war es so still auf der anderen Seite.
,,Leo?", fragte ich nochmal, als mir ein licht aufging.
,,Leo, du wusstest davon!"
,,Ja!", sagte sie verlegen und schaute sich wahrscheinlich gerade auf die Füße, so wie sie es immer tat, wenn sie sich schuldig fühlte.
,,Warum hast du es mir nicht gesagt?" Mittlerweile stand ich vor einem kleinen Resteraunt. Dem 'Harmonics'. Netter Name. Ich setzte mich und wartete auf die Bedienung.
,,Ich konnte und durfte nicht!"
,,Warum durftest du nicht?"
,,Naja, dein Dad hat gesagt, er wolle es dir selbst sagen.." Weiter kam sie nicht, da ich sie unterbrach.
,,Nein, Leo! Ich dachte du wärst meine beste Freundin! Und beste Freundinnen machen sowas nicht! Ich brauch jetzt endlich mal meine Ruhe!" Ich legte genervt auf, musste aber nach ein paar Minuten wieder auf mein Handy sehen, da es klingelte. Es war Leo. Genervt drückte ich sie weg und machte mein Handy aus.