Die Kellnerin kam an meinen Tisch und sah mich an. ,,Was kann ich ihnen bringen?" Ich sah zu ihr auf. Ihre blond gelockten Haaren waren zu einem Pferdeschwanz gebunden und fielen über ihre Schulter. Sie hatte eine freundliche und ruhige Stimme. ,,Einen Bagle und einen Kaffee bitte!" ich sah wieder zu ihr hinauf, nachdem ich bestellt hatte und konnte für einen kurzen Moment ihr Augen sehen, die einen seltsamen goldenen Ton hatten. Ich runzelte die Stirn, nachdem sie verschwunden war. Sowas hatte ich ja noch nie gesehen, zumindestens kannte ich niemanden, der eine solche Augenfarbe hatte. Während ich wartete, sah ich mich um. Das kleine Resteraunt war gut besucht. Es waren so gut alle Tische belegt. Der Großteil der Gäste waren ältere Leute, auch ein Paar mit drei Kindern war zu sehen. Die Stühle und Tische waren aus edlem dunkelbraunen Holz, wahrscheinlich maßgefertigt und teuer. Wie auch die Preise und die Klamotten der vielen Gäste. Aber das war kein Wunder, da dies eine reiche gegend war, in der alles etwas mehr kostete, als in Deutschland oder anderen Stadtteilen. Seuftztend lies ich meinen Blick über die nähere Umgebung schweifen. Links und Rechts grenzten weitere Resteraunts und kleine Cafés. Alle gut besucht und wahrscheinlich genauso elegant und teuer wie das Harmonics. direkt neben den Resteraunts und Cafés verlief eine Straße, dahinter lag eine kleine Grünanlage mit ein paar hochgewachsenen Bäumen und einigen weißen Bänken. Das Gras sahvon weitem gut gepflegt und weich aus und wahrscheinlich wurde jeder Grashalm auf den Millimeter genau auf die anderen abgestimmt. Zwischen all den Bänken, Bäumen und auf dem Gras tummelten sich viele Hunde mit ihren Besitzern - die meisten reiche Mütter mit ihren verwöhnten reichen Kindern. Seuftztend lehnte ich mich zurück und ließ den Blick wieder über die Grünfläche schweifen.
Mein Blick blieb an einem jungen Mann hängen, der an einen Baum lehnte und die Hände in den Hosentaschen vergrub. Er hatte braune verwuschelte Haare, trug eine verwaschene Jeans und ein weißes Shirt, was etwas enger anliegte. Er hatte einen Fuß gegen den Baum gelehnt, den Kopf gesenkt, doch als ich ihn jetzt ansah, hob er den Blick und sah mir direkt in die Augen. Als mich sein Blick traf, zuckte ich leicht zusammen und schluckte kurz. Seine grünen Augen fixierten mich und schienen in mich hinein zu sehen. Ich starrte ihn an. Er hatte etwas an sich, was ich faszinierend fand, und was mich in seinen Bann zog.
Ich wusste nicht wie, aber als das Geräusch klappernde Absätze auf dem Boden, näher kam, wandte ich den Blick ab und sah auf den Tisch. Als die Kellnerin dann kam, sah ich zu ihr auf und lächelte freundlich, doch Sie sah nur zu der Stelle, an der geheimnissvolle Junge stand. Ich nahm mir mein Essen, sodass sie mich ansah.
"Danke", meinte ich etwas verwirrt, als sie mich ansah, wobei ihre Augen dieses Mal mehr gelb als gold waren. Ohne ein Wort, drehte sich die Kellnerin lächelnd um und verschwand. Ich sah ihr noch eine Weile hinterher. Ihre Augen waren genauso merkwürdig, wie der Junge. Bei den Gedanken sah ich wieder zu dem Baum, doch der Junge war versschwunden. Schade eigentlich. Er sah ja schon recht  süß aus.
Mit kleinen Schlucken trank ich meinen Kaffee, genoss die Aussicht und das angenehme Wetter. Es war nicht so warm wie in Deutschland zu dieser Zeit und zu kalt war es auch nicht. Ich legte den Kopf in den Nacken und seuftzte leise. Ich schloss meine Augen und ließ die Ruhe auf mich wirken. Nach ein paar Minuten richtete ich mich wieder auf massierte mit der rechten Hand leicht den Nacken. Die Nacht war etwas anstrengend gewesen, der Umzug stressig. Ich aß meinen Bagle, trank den Kaffee aus und bezahlte. Ich lächelte die Kellnerin an und stand auf, um zu gehen. Gerade kamen Amanda und mein Vater um die Ecke, ihre Finger miteinander verflochten. Ich musterte Amanda. Sie hatte sich wieder umgezogen, trug nun eine dunkelgrüne Leggins, einen schwarzen Minirock und ein dunkelgrünes Top. Ich schüttelte mich kurz, verzog leicht den Mund. Grün war noch nie mein Fall, aber meiner Mum hatte es sehr gut gestanden, jedoch war dies bei Amanda nicht der Fall.
Mit schnellen Schritten verließ ich das Resteraunt und ging geradewegs zu meinem Vater. Ich setzte ein Lächeln auf, welches wirklich echt rüber kam. Als sie mich sahen, hob mein Vater nur eine Braue und Amanda setzte so etwas wie einen Killerblick auf.
"Ah, da ist die Außreißerin ja! Schön, dich zu sehen. Wir haben uns schon Sorgen um dich gemacht, dass dir vielleicht etwas passiert ist", tadelte mich mein Vater, als ich vor ihnen stehen blieb. Ja klar, von wegen Sorgen. Die hatten höchstens Sorgen, dass ich zu früh wiederkommen würde und sie bei irgendwas stören würde. Der Gedanke ließ mich vor Abscheu zittern und meine Nackenhaare stellten mich auf.
"Dad mir passiert schon nichts. Ich hab mal Kampfsport gemacht. Schon vergessen?" Ich lächelte ironisch, woraufhin mich mein Vater anfunkelte.
"Nicht frech werden, Fräulein! Amanda und ich gehen jetzt was essen. Willst du mitkommen?"
"Nein danke. Ich mache einen Spaziergang. Ihr braucht euch keine Sorgen um mich machen. Ich komme irgendwann wieder!"
"Nagut. Komm nicht zu spät!" Ich nickte nur und wollte mich gerade umdrehen, um zu gehen, als sie Amanda zu meinem Vater drehte und ihn küsste. Leidenschaftlich. Ich musste mich fast übergeben. Es störte mich nicht, wenn sich Pärchen in der Öffentlichkeit küssten, aber bei Amanda und meinem Vater war es etwas völlig anderes. Ich konnte Amanda ja noch nicht mal leiden. Mit einem augenverdrehen wandte ich mich ab und ging die Straße entlang, vorbei an unzähligen Resteraunts, Café's und Läden.
Ich versank in Gedanken. Gedanken über die Vergangenheit. Die Umgebung verschwamm um mich herum. Ich nahm nur noch Autos, Straßen und Ampel wahr. Die Menschen um mich herum verschwammen, waren nach einiger Zeit nicht mehr, als eine unschwarfe Form in schwarz oder weiß. Ich lief einfach die Straßen entlang, ignorierte die verwirrten Blicke der anderen Menschen, ignorierte meinen knurrenden Magen, brüllte ihn in Gedanken an, endlich still zu sein. Als ich aufblickte, war es bereits dunkel. Es war fast so, als wäre erst eine Sekunde vergangen, seitdem ich Amanda und meinen Vater alleine gelassen hatte. Ein Blick auf mein Handy agte mir, dass es bereits sechs Minuten nach um zehn war. Meine gedanken waren so ausgeschweift, dass ich die Realität vollkommen vergessen hatte, die mich aber jetzt schlagartig einholte. Ich sah mich um. Ich stand in einer Art Seitengasse, aber eine Sackgasse war es immerhin nicht.
Eine Hand riss mich aus meinen Gedanken. Sie legte sich auf meinen Mund und panisch schloss ich die Augen. Was würde jetzt wohl passieren, würde man mich jetzt umbringen? War es bestimmt, dass ich hier jetzt starb? Plötzlich riss ich meine Augen wieder auf, als ich Stimmen hörte.
,,Wo ist sie hin? Sie kann doch nicht weg sein. Eben war sie noch da!",sagte die erste Stimme und mein Herz beschleunigte den Rhythmus seiner Schläge.
,,Meinst du sie ist eine von ihnen?", die zweite Stimme klang rauchiger und tiefer als die erste. Kaum vorzustellen, aber sie klang männlicher.
,,Nein, du verdammter Idiot! Hast du denn nicht ihr Herz gehört?" Mir stockte der Atem. Mein Herz? Was hatten die vor? Und woher konnten sie es bitteschön hören?
,,Wir suchen sie morgen Abend weiter! Lass uns gehen!" Das war wieder die erste Stimme. Komisch, die zweite klang männlicher, aber schien nicht dominanter zu sein. Ich hörte sie weggehen und wollte aufatmen. Doch die Hand auf meinem Mund hielt mich auf. Unbewusst rollten mir die Tränen die Wange runter. Vielleicht waren die zwei anderen Typen noch harmlos im Gegensatz zu dem, der mir gerade seine Hand auf den Mund drückte?
Ich spürte den Atem des Mannes an meinem Ohr. ,,Ich werde deinen Mund für kleinen kleinen Moment loslassen, und wenn ich das mache, sagst du mir, wieso du weinst. Einverstanden, Juliette?", raunte mir die Stimme ins Ohr. Sie klang tief, männlich und sexy. Ich nickte, im ersten Moment unfähig mir Gedanken darüber zu machen, woher der Mann meinen Namen wusste und wie er mich finden konnte.
,,Ich habe Angst", wisperte ich und wollte gerade schluchzen, als er seine Hand wieder auf meinen Mund drückte, die andere an meine Stirn legte und leichten Druck ausübte. Meine Augenlider wurden schwer. Ich fiel in eine Art schwarzes Loch, die Tiefe zog mich hinab. Mein Körper wurde schwerelose und ich sackte zusammen. Bevor ich jedoch auf den Boden aufschlug, legte sich ein Arm um meine Taille, die Hand von meinem Mund wurde wegzogen. Ich wurde hochgehoben, das bekam ich gerade noch mit, aber dann wurde es komplett schwarz und ich verlor mich in der Tiefe.