Das Fenster war offen und die Gardinen bewegten sich im Takt zur Bewegung der Luft. So schnell wie er gekommen war, so schnell war er auch verschwunden. Alles schien wieder normal zu sein. Alles was er hinterlassen hatte, war der Hauch seiner Lippen auf meinem Hals. Ich umklammerte meinen Körper mit meinen Armen und setzte mich mit Blick zum Fenster auf mein Bett. Die Augen weit aufgerissen, starrte ich zum Fenster.
Ja, ich musste halluzinieren. Eindeutig. Das alles konnte doch nicht echt sein. Unwillkürlich fasste ich mir an den Hals, zuckte jedoch sofort zusammen, als meine Fingerspitzen die kühle Stelle am Hals berührten, wo seine Lippen kurz geruht hatten. Ein Zittern durchfuhr meinen Körper. Allein durch seine letzten Worte 'Wir sehen uns wieder!' wurde es hervorgerufen. Nein. Das musste ich mir alles nur einbilden! Seuftztend und Kopf schüttelnd stand ich auf und ging zu meinem Kleiderschrank.
Da die Sonne schien und die Wärme drang in mein Zimmer. Also entschiedich mich für eine Jeanshotpants, ein schwarzes Shirt und darüber eine rot-blau karierte Bluse. Ich kombinierte dazu graue Stoffsneaker. Meine braunen Haare lies ich dieses mal offen und holte mir eine schwarze Umhängetasche mit dem Aufdruck 'Love your life'. Der Schriftzug war weiß und schön verschnörkelt. Ich liebte solche sachen auf Taschen, denn einfarbig war auf Dauer auch ein bisschen langweilig. In der Umhängetasche befand sich mein Handy, meiin Schlüssel und mein Portemonnaie. Ich schloss die Tür auf und lauschte, aber ich konnte kein einziges Geräusch vernehmen. Ich schlich mich nach unten und sah mich um. Nix. Da war absolut keiner. Keine Amanda und kein Dad!
Ich ging zur Haustür und kramte aus der Geldbörse meines Vaters wieder einen 50 Dollarschein raus. Da fiel mir ein, dass ich ja noch das Rückgeld von Gestern hatte. So konnte ich mir vielleicht noch einen neuen Rucksack kaufen. Als sich die Badtür öffnete, schlich ich mich aus der Wohnung. Ich ging zum Aufzug und drückte auf den Knopf. Pfeifend wartete ich auf den Fahrstuhl.
Nachdem ich eingestiegen war und er unten angekommen war, ging ich die Straße entlang. In meinem Unterbewusstsein erstellte sich ein Bild eines Laden, in dem es Sachen für die Schule gab. Nur leider wusste ich nicht, wo genau sich dieser Laden befand. Mal wieder in meinen Gedanken versunken, stieß ich mit jemanden zusammen.
,,Oh nein.. Entschuldige, das tut mir Leid. Ich hab dich gar nicht bemerkt!", sagte ich leise und half einem Mädchen hoch. Sie hatte braune, leicht gewellte Haare, die ihr bis zur Hüfte reichten. Ihre Augen glitzerten in einem freundlichen Blau. Sie hatte ein leichtes Lächeln auf ihren schön geschwungenen Lippen. Ihre Nase passte perfekt in ihr recht hübsches Gesicht, ihre Haut war aber etwas heller als meine.
,,Ach, das geht schon. Hat fast nicht wehgetan!", sagte sie lächelnd und fuhr fort, "Ich bin übrigens Valerie. Und du bist?"
,,Juliette. Ich bin neu in der Stadt und war gerade dabei Schulsachen zu kaufen!"
,,Wenn du willst, komme ich mit. Ich brauch auch noch welche für Donnerstag!" Ich nickte begeistert und lächelte. Während wir die Straße entlanggingen und Valerie mich zu diesem Laden führte, der Schulsachen verkaufte, fragte ich mich, wie ich gestern hierher gefunden hatte. Valerie riss mich aus meinen Gedanken.
,,Sag mal, kann es sein, dass du neu hier bist, oder kommst bist du einfach nur von Queens oder so hierher gezogen?"
,,Ich bin neu! Ich bin am Sonntag hier angekommen, denn ursprünglich komme ich aus Deutschland."
,,Darf ich nach dem Grund des Umzuges fragen?"
,,Meine Mutter starb vor 1½ Jahren bei einem Busunglück. Das erste Jahr lief gut, aber danach wurde es recht schlimm. Sie fehlte uns so sehr, dass mein Vater beschlossen hatte, in eine andere Stadt zu ziehen. Mein Dad leitet ein paar Firmen, darunter steht auch eine in New York und so sind wir hierher gezogen!", erzählte ich und merkte gar nicht, wie wir den kleinen aber schlichten Laden betraten. Beim betreten des Ladens kam mir der Duft von Lavendel entgegen, bei dem ich ein bisschen anfing zu träumen. Das bemerkte Valerie und schnippte mit zwei Fingern vor meinem Gesicht rum. Ich zuckte zusammen und errötete.
,,Okay, suchen wir ein paar Blöcke!" Sie nahm meinen Ellenbogen und zog mich zu einem Regal, in welchem karierte, linierte, unlinierte Blöcke lagen in allen Größen lagen. Die letzten drei Spalten waren für Notizbücher vorhergesehen, für dich eine komische, aber dennoch besondere Schwäche hatte. Ich schnappte mir drei Blöcke von jeder Sorte in der passenden Größe und begab mich dann zum Ende des Regals. Ich fand zwei Notizbücher: Das erste Notizbuch war weiß und hatte an der rechten Seite einen dicken lilanen Streifen. Auf der linken Seite war die Hälfte einer rosanen Blume abgebildet. Auf dem lilanen Streifen stand das Wort 'Flower' in schwarz und es waren kleine Bilder von Blumen noch drauf. Auf der Rückseite war der Streifen auf der linken Seite und der Rest der Blume auf der rechten. Mehr war nicht abgebildet.
Das zweite war genauso groß und rosa-weiß. Darauf waren schwarze, weiße, hellrote und lilane verschnörkelte Blumen abgebildet.
Mit einem Mal war der Geruch von Lavendel ziemlich stark, sodass ich aufsah, Ich stellte mich auf zehenspitzen und sah über das Regal, da ich ja doch recht klein war. Ich war leider nur 1.69m groß und konnte über das Regal leider nur braune verwuschelte Haare erkennen, die einfach nur hammer aussahen! Ich wollte gerade um das Regal herumgehen, doch auf der anderen Seite war keiner. Halluzinierte ich wieder? Das war doch unmöglich! Doch daran wollte ich meine Gedanken heute nicht verschwenden und so kauften Valerie und ich alles wars wir noch so brauchten. Stifte, Hefter, Federmappen und auch noch einen Rucksack für mich, den ich, nachdem ich alles bezahlt hatte, in meine Umhängetasche passte, so wie alles andere auch.
Als sich mein Magen meldete gingen wir zu einem kleinen schlichten Resteraunt. Ich bestellte mir eine kleine Pizza Hawaii, doch Valerie bestellte sich nichts.
,,Bist du magersüchtig oder so?", fragte ich sie mit gehobener Braue. Sie schüttelte leise lachend den Kopf. ,,Nein! Ich hab nur keinen Hunger. Das ist alles!"
,,Achso.."
,,Auf welche High School wirst du gehen, Juliette?"
,,Erstens, nenn mich juli. Zweitens, ich werde auf die Manhattan High School gehen! Auf welche gehst du?"
Sie strahlte über das ganze Gesicht. ,,Ich auch!"
Während ich meine Pizza verschlang, redete Valerie ununterbrochen auf mich ein. Sie redete von der Schule auf die ich gehen würde, von irgendwelchen sexy Typen und dann auch noch von New York, was man alles machen könnte. Als sie von einer Überraschung erzählte, die jedes Jahr am Anfang des Schuljahres stattfand, wurde ich hellhörig.
,,Eine Überraschung!?", fragte ich nach und Valerie nickte.
,,Na los! Erzähl schon!" etwas hibbelig rutschte ich auf meinem Stuhl leicht hin und her. Valerie musste lachen und mit einem Mal hatten wir die Aufmerksamkeit der anderen. Verlegen senkte ich den Blick, während sich Valerie den Bauch vor Lachen hielt und sich langsam beruhigte. Sie sah mich mit einem strahlendem Grinsen an.
,,Nein! Das werde ich ganz sicher NICHT tun! Es ist eine Überraschung und wenn ich sie dir verrate, ist es ja schließlich keine Überraschung mehr", versuchte sie mir zu erklären, doch ich verschränkte nur die Arme vor der Brust. Ich murrte etwas, worauf Valerie mich nur angrinste. Seuftztend sah ich sie an und nickte. "Gut! Ich gebe mich geschlagen." Ich schüttelte grinsend den Kopf bei meinen Worten und sah zu der Bedienung. Ich lächelte und bezahlte.
,,Wie wärs wenn wir shoppen gehen?", fragte mich Valerie und ich nickte begeistert. Sofort gingen wir los.
,,Hast du eigentlich einen Freund?", fragte mich Valerie und ich schüttelte nur grinsend den Kopf.
,,Ohh.. dann werden sich die Jungs bestimmt wieder auf dich stürzen!", erzählte sie lachend und hielt vor einem Laden, in dem es T-Shirts, Hosen, Kleider, Röcke, Schmuck und Unterwäsche gab. Ich suchte ein wenig rum, bis ich auf ein beiges Kleid stieß. Ich zeigte es Valerie, die mich strahlend ansah.
,,Das musst du anprobieren!", sagte sie bestimmend und schickte mich schon in eine Umkleide. Ich verschwand darin und hatte keine Probleme, in das Kleid zu schlüpfen.
Es war trägerlos und der Stoff liegte oben eng an der Brust an. Der erste teil des Kleides hörte kurz über der Hüfte auf und war etwas fester, als der darunter. Er war etwas dunkler als weiß und darauf waren silberne verschnörkelte Linien. Durch einen hellbraunen dünnen Ledergürtel wurde der oberer Stoff von dem darunter getrennt. Darunter verlief so eine Art Rock in Beige und mit ein klein wenig Rüschen.
Als ich aus der Umkleide trat, machte Valerie große Augen.
,,Juli, das sieht wundervoll aus! Ich sehe auch schon die passenden Schuhe vor meinen Augen. Los, ausziehen und kaufen!" Sie grinste mich an und schob mich wieder in die Umkleide. Ich zog das Kleid aus und meine anderen Sachen wieder an. Als ich jedoch auf den Preis sah, musste ich seuftzten.
,,Valerie, das Kleid kann ich mir nicht leisten!", sagte ich, während ich aus der Umkleide ging. Valerie stand vor mir, nahm mir das Kleid wortlos ab und ging zur Kasse.
,,Man, Valerie.. das musst du nicht tun!", sagte ich zu ihr, als ich sah, dass sie das Kleid bezahlte.
,,Doch, das muss ich! Und du wirst bald sehen, warum!" Sie grinste mich an und entblößte dabei eine Reihe weißer perfekter Zähne. Ich nahm ihr die Tüte ab und sie zog mich die Tür hinaus.
,,Hast du denn einen Freund?", fragte ich auf dem Weg zum Schuhgeschäft und sah sie fragend an. Erst jetzt viel mir auf, dass ich nicht mehr so viel nachdachte, was ich Valerie besonders zu verdanken hatte. Ob Valerie auch so tickte, wie ich? Wahrscheinlich. Immerhin war sie so alt wie ich und ein Mädchen. Hatte man da nicht die gleichen Probleme?
,,Ja! Ich habe einen. Seit zwei Jahren!" Sie grinste triumphierend und sofort verwischte ich meine Gedanken.
,,Geht er auf unsere Schule?" Eifrig nickte sie. ,,Ja, so haben wir uns auch kennengelernt! Er so liebevoll und einfach nur göttlich!", fing sie an zu schwärmen, wo ich grinsen musste.
Den Rest des Weges schwiegen wir, bis wir vor einem wahnsinnig großen schuhgeschäft stehen blieben. Valerie zog mich gleich mit rein und suchte bereits nach den passenden Schuhen. Da ich keine richtige Lust auf Schuhe angucken hatte, da mir der Vorfall von heute Morgen noch ziemlich zusteckte. Als Valerie mit beigen High Heels, die ungefähr 11cm Absatz hatten und an der Rückseite mit Nieten bestzt waren. Ich probierte sie an. Und sie passten perfekt!
,,Passt!", sagte ich grinsend zu Valerie und zog meine Stoffsneakers wieder an. Wir ging schweigend zur Kasse und mein Geld reichte gerade noch so für die High Heels.
,,Hast du Lust mit zu mir zu kommen? Mein Dad hat bestimmt nichts dagegen, der ist eh lieber mit seiner neuen Freundin beschäftigt!" Ich lächelte und lies mir nichts anmerken. Valerie nickte. Sie rief uns ein Taxi und ich nannte dem Fahrer die Adresse.
,,Hast du noch Geschwister, Juli?", fragte Valerie, während wir fuhren und ich schüttelte leicht den Kopf.
,,Also soweit ich weiß, hat Amanda keine Kinder. Und wenn ich die irgendwann genauso kennenlerne, wie ich Amanda kennengelernt habe, fliegt nicht nur eine Kaffeekanne und eine Tasse runter", sagte ich zu ihr und wir beide mussten grinsen.
,,Den Moment würde ich gerne miterleben. Ich glaube, ich würde mich nicht mehr halten können vor Lachen!" Gut, jetzt mussten wir lachen. Ich, weil ich mir das Gesicht von Amanda und meinem Dad vorstellte, wenn irgendetwas durch die Gegend flog. Valerie wahrscheinlich, weil sie sich einfach nur vorstellte, wie etwas gegen die Wand flog und in tausend Scherben zerbrach. Ja, auch diese Vorstellung fand ich amüsant.
Als wir ankamen, stiegen wir aus und nahmen unsere Einkaufstüten. Mir war gar nicht aufgefallen, dass sie sich auch was gekauft hatte. Das war mal wieder typisch: Ich und meine Gedanken!